Friedliche Koexistenz

Im Brugger General-Anzeiger erschien am 9. April 2015 meine Kolumne:


Friedliche Koexistenz


Als ich kürzlich mit dem Postauto durch Frick fuhr, sah ich auf einem Gartenhag einen Spatz sitzen und tschilpen. Das war an sich nichts Ungewöhnliches. Speziell aber war, dass neben dem Spatz eine Katze sass und, anstatt sich sofort auf den Vogel zu stürzen, diesen andächtig zu betrachten und seinem Gesang zu lauschen schien.

Vielleicht war ja das Verhalten der Katze nur ein scheinheiliges Vorgeplänkel, und sie würde den Vogel im nächsten Moment auf leisen Sohlen anschleichen und zu fangen versuchen. Aber das wollte ich nicht glauben. Die Idee der friedlichen Koexistenz gefiel mir gar zu gut - ganz abgesehen davon, dass der Vogel ohnehin die besseren Karten hätte.

Dabei fiel mir eine Geschichte ein, die mir eine Nachbarin erzählt hatte.

Es gibt in unserem Dorf eine Gruppe älterer Schüler, die immer wieder für Aerger sorgt, weil sie jüngere Buben in die Zange nimmt und Geld oder Wertgegenstände von diesen fordert. Wer sich weigert, sich freizukaufen, wird verprügelt.

Die Freundin beobachtete nun, wie sich die Clique auf einen 12Jährigen stürzte, der mit seinem Magic-Würfel spielte. Sie entrissen ihm den Würfel und nötigten ihn in gewohnter Weise. Der Junge hob eingeschüchtert die Schultern und zeigte immer nur auf den Würfel. Da war offenbar nichts zu holen. Schliesslich gab ihm der Anführer den Würfel zurück.

Während nun die Clique immer noch bedrohlich um ihn herumstand, drehte der Knabe mit schnellen Fingern an seinem Würfel und besiegte diesen im Nu. Das versetzte die Grossen in Staunen. Der Würfel ging nun von Hand zu Hand, und jeder versuchte sein Glück. Bald gaben sie jedoch auf und liessen den Knaben samt Würfel lachend und mit Schulterklopfen ziehen.

Aber ob diese Geschichte stimmt, weiss ich nicht. Trotzdem ist es schön, daran zu glauben.