Im Trend
„Blau
steht mir nicht“, sagte sie entschieden und legte das königsblaue
T-Shirt wieder zurück. Die Verkäuferin zuckte mit den Schultern.
„Haben Sie nichts in Violett?“ fragte die Frau. „Das ist dieses Jahr nicht Mode“, belehrte sie die Verkäuferin. „Was ist denn
dieses Jahr Mode?“ fragte die Frau nicht ohne Ironie in der Stimme.
„Blau“, antwortete die Verkäuferin knapp. „Na dann“, sagte
die Frau und verliess mit einem kühlen „Adieu“ das Geschäft.
Sie
schlenderte die Einkaufsstrasse entlang und warf suchende Blicke in
all die Kleidergeschäfte, die sich fast eines an das andere reihten.
Tatsächlich, stellte sie fest, überall Blau, Blau in allen
Schattierungen. Sie schüttelte den Kopf. Sie würde sich doch nicht
von der Mode diktieren lassen! Blau stand ihr nun mal nicht, und
ohnehin: Wenn alle Blau trugen, dann wollte sie
es erst recht nicht tun! Wie konnten die Frauen, die sich dem
Modediktat unterwarfen, derart ihre Individualität aufgeben?
Natürlich: Es ging darum, dazuzugehören. Wollte sie
denn nicht dazugehören? Irgendwie schon, gestand sie sich ein;
jedenfalls war sie eigentlich nicht zur Aussenseiterin gemacht. Aber
deshalb auf all die Vielfalt verzichten, die das Leben zu bieten
hatte? Nein!
Eigentlich hatte sie sich zur Feier ihres heutigen
Hochzeitstages etwas Neues kaufen wollen, aber nun ...
Als sie nach Hause kam, war Jacques schon da. Sie ging
zum Kleiderschrank und fragte sich unschlüssig, was sie anziehen
sollte. Als hätte er ihre Frage gehört, rief er von draussen:
„Ziehst Du mal wieder das kleine Schwarze an?“ Sie stutzte. Er
mochte diese Farbe sonst nicht an ihr. Als er aber hereinkam, sah sie
ihn verschmitzt lächeln. Aha, er hatte also eine Ueberraschung auf
Lager.
„Mach die Augen zu“, flüsterte er, als sie
angezogen war. Ein sanftes, schmeichelndes, leicht kühles Etwas
legte sich um ihren Hals. Sie öffnete die Augen. Er hatte ihr einen
luftigen Seidenschal um den Hals drappiert. Er war blau!