Zwischen
Stühlen
„Was
sagst du zu diesem Wetter?“
„Na
ja, Herbst halt. Was kann man da anderes erwarten.“
„Im
Süden wäre es jetzt besser“, seufzt Stuhl Nummer 1.
„Ja
ja, ich weiss, das erzählst du mir jedesmal, wenn es regnet. Vergiss
doch endlich mal deinen Süden. Jetzt bist du hier. Und da unten war
sicher auch nicht alles so toll.“
„Das
Wetter aber schon“.
„Das
Wetter, das Wetter! Du solltest froh sein um den Regen. Da gibt es
weniger Touristen, die sich dich streitig machen, dich lieblos hin
und her ziehen, ihre wohlgenährten Hintern auf dich fallen lassen,
so dass du Angst um deine zarten Beine haben musst.
„Na
ja! ... Es wird Zeit, dass der Winter kommt, dann kehrt hier wieder
Ordnung ein“, resümiert Stuhl Nummer 1.
„Und
wir sind uns wieder näher“, ergänzt Stuhl Nummer 2. „Erinnerst
du dich an letztesmal?“
„Und
ob! Zusammen auf einem
Stapel. Und du direkt über mir. Den ganzen Winter lang. Da kam kein
bisschen Einsamkeit auf.“ Stuhl Nummer 1 gibt sich ganz der
Erinnerung hin.
„Aber
lass uns nicht melancholisch werden, geniessen wir doch einfach die
Stille und die Aussicht.“
Sie
schweigen eine Weile, betrachten den in der Pfütze auf dem Kopf
stehenden Eiffelturm und hängen ihren Phantasien nach.
Dann
entschlüpft Stuhl Nummer 2 ein leiser Seufzer.
„Was
ist?“
„Mir
ist schon ein wenig langweilig – so ohne Touristen“, gesteht er
schliesslich.
„Siehst
du, wären wir jetzt im Süden, hätten wir dieses Problem nicht.“
Aber
Paris ist halt Paris – auch bei Regen. Und so dauert es nicht
lange, da erscheint eine japanische Schulklasse, rennt auf die beiden
zu, dass ihnen angst und bange wird, und kämpft unter grossem
Gelächter und Geschrei um die beiden einsamen Stühle. Sechzehn
Schüler bilden schliesslich eine Menschenskulptur, spreizen die
Finger zum Victory-Zeichen, und der Lehrer knipst ein Foto.