Notfall
Na,
da habe ich ja eine rechte Lawine losgetreten! Aber ich konnte die
arme Kleine doch nicht so allein und hilflos im Baum sitzenlassen.
Womöglich wäre sie irgendwann heruntergefallen. Sie hat es zwar
nach oben geschafft, weiss aber offenbar noch nicht, wie man wieder
nach unten kommt.
Deshalb
habe ich der Polizei - „deinem Freund und Helfer“ - telefoniert.
Hauptmann Furrer war am Telefon. Er hat allerdings wenig Mitleid
gezeigt und wollte nur wissen, auf welcher Höhe meine Minka im Baum
steckengeblieben war und ob es denn wirklich meine Katze sei.
„Natürlich ist es meine Katze“, habe ich ihm entrüstet
geantwortet. Schliesslich sagte er – eher genervt -, dann müsse
ich halt die Feuerwehr aufbieten.
Item:
Ich wählte die Nummer 118. Major Wagner, den ich von früheren
Einsätzen her kenne, liess sich das Drama mit meiner Katze
schildern. Auch er fragte mehrmals nach, ob ich denn wirklich meine
Katze im Baum gesehen hätte, und ich antwortete ihm etwas unwirsch,
dass kein Zweifel bestehe und dass sie doch jetzt endlich ausrücken
sollten.
Das
taten sie dann auch, zwar ohne Sirene und mit nur einem Auto. Aber
die Leute blieben trotzdem auf der Strasse stehen, vor allem die
Kinder.
Inzwischen
war auch Hauptmann Furrer vorgefahren, und die beiden Männer
schauten ins Geäst des Götterbaumes, kniffen die Augen zusammen,
und Herr Wagner nahm sogar das Fernglas zu Hilfe.
Die
Zuschauermenge auf der Strasse war auf sicher zwanzig Personen
angewachsen.
Schliesslich
kamen die beiden Männer mit ernster Miene auf mich zu. Herr Wagner
legte mir beruhigend seine starke Hand auf die Schulter und sagte:
„Liebe Frau Güntert, da oben ist keine Katze. Vielleicht hat sie
sich sonst irgendwo versteckt.“
Polizei
und Feuerwehr fuhren davon, und die Zuschauer verstreuten sich. Ich
blieb ratlos zurück und machte mich seufzend daran, die Wäsche
aufzuhängen. Da spürte ich plötzlich, wie sich etwas Weiches an
meiner Wade rieb, und als ich nach unten schaute, blickte ich direkt
in die gelben Augen meiner Minka.
Helga Starcevic