Herbstgesänge
Herbst!
Die mürben Blätter rascheln, wenn ich meine Füsse darauf setze.
Ich setze sie nicht einfach auf und bewege mich fort wie normal,
sondern ich schleife mit ihnen auf dem Boden dahin, wie wenn ich
Schlittschuh laufen würde. Dann raschelt es um ein Vielfaches, und
die Blätter stieben unter meinen Füssen auf die Seite. Wenn sie am
Boden liegen, haben die Blätter schon ihre leuchtenden Farben
eingebüsst; sie sind braun. Aber wenn ich mit den Füssen unter
ihren Teppich greife und sie aufflattern, entströmt ihnen ein
wunderbar modriger Duft, der Duft des Herbstes schlechthin.
Dabei hat
der Herbst ja durchaus noch andere Gerüche – denjenigen der reifen
Aepfel zum Beispiel oder der reifen Trauben. Beide verändern ihren
Duft mit dem Fortschreiten der Reife und dem Beginn der Fäulnis.
Wenn man kurz vor Beginn der Weinlese in die Nähe eines Weinberges
kommt, erkennt die Nase dies, bevor das Auge es sieht: Es riecht nach
saurem Wein – umso mehr, je feuchter die Luft ist.
Der Herbst
tönt auch auf vielfältige Weise. Natürlich sind es wiederum die
Blätter, die noch an den Bäumen hängen, die die lautesten Lieder
singen: Wenn die Herbststürme über sie hinwegfegen, ist es ein
orkanartiges Tosen, das noch die zähesten, letzten Blätter von den
Bäumen holt. Regt sich nur ein leiser, sanfter Wind, dann säuseln
sie, während sie sich anmutig an ihren Stängeln wiegen und sich in
den letzten Sonnenstrahlen räkeln.
Die
letzten Bienen summen, die um die Efeuhecken tanzen und sich an den
herbstlichen Blüten gütlich tun.
Und die
Luft selbst ist ein Gesang: die würzige Abendluft, die über den
feuchten Wiesen liegt, atmet hörbar in langsamen, tiefen Atemzügen,
bevor sich die Nacht darüber senkt.
Wenn am
Morgen noch die grauen Nebel die ganze bunte Herbstpracht mit einem
Schleier bedecken, so summen sie uns doch ein leises Herbstlied, wenn
wir uns die Zeit nehmen, eine Weile innezuhalten und nicht nur mit
den Ohren, sondern auch mit den Poren zu lauschen: „Sei stille, sei
stille ...“